Von Alvar Aalto ist bekannt, dass er schon als junger Architekt in den späten 1920er Jahren Kontakte zu deutschen Kollegen knüpfte. Aalto war neugierig auf die moderne Architektur, wie sie das Bauhaus proklamierte, oder wie sie in Stuttgart auf der Werkbundsiedlung am Weißenhof 1927 zu besichtigen war. Er traf sich mehrmals mit Walter Gropius, Ernst May und Hans Scharoun und lud sie nach Finnland ein, unter anderem, um sein Sanatorium in Paimio, erstellt zwischen 1929-33, zu besichtigen.
1933 änderte sich schlagartig die Situation in Deutschland, fortschrittliche Architekten sahen sich mit Berufsverboten konfrontiert oder gingen in die Emigration. Aalto schränkte seine Kontakte nach Deutschland ein und lehnte auch offizielle Einladungen ab. Gleichzeitig bedeuteten die 1930er Jahre für Aalto den Beginn seiner internationalen Erfolge. Die finnischen Pavillons auf den Weltausstellungen 1937 in Paris und 1939 in New York – letzterer in Europa durch den Kriegsbeginn aber kaum noch wahrgenommen – verfestigten Aaltos Position als führende Architektenpersönlichkeit Finnlands. In seinem Heimatland jedoch blieb er lange ungewürdigt, erst 1943 wurde er mit knapper Mehrheit zum Vorsitzenden der Vereinigung der Finnischen Architekten SAFA gewählt. Eine Rundreise mit Delegierten der SAFA führte ihn noch im selben Jahr, gezwungenermaßen, in das nationalsozialistische Deutschland.
Die Nachkriegsjahre boten die Gelegenheit zu rasanter Bautätigkeit, in Deutschland aber auch in Skandinavien. Vor allem Finnland und Schweden wurden aufgrund ihrer ungebrochenen Kontinuität einer modernen Architekturauffassung Leitbilder in Fragen der Bautypologie, Technik und Ästhetik, Studienreisen in diese Länder eine professionelle Pflicht deutscher Architekten und Hochschüler, um den internationalen Anschluss neu zu erlangen. Und: skandinavische Architekten wurden seitdem gerne als Experten zu Bauvorhaben nach Deutschland eingeladen. Der Däne Arne Jacobsen erhielt Aufträge in Hannover, Hamburg und Mainz, Jacobsen, Kay Fisker aus Kopenhagen und Alvar Aalto wurden ab 1953 in das Demonstrativbauvorhaben des Hansaviertels in Berlin einbezogen. Aaltos äußerlich unspektakuläres Wohnhaus auf der INTERBAU, während der Planung noch von den zuständigen Ausschüssen als 'langweilig' geschmäht, entpuppte sich nach der Fertigstellung 1957 als wahrer Publikumsliebling. Seine Wohnungen zeigten völlig neuartige aber benutzbare Grundrisse, um einen zentralen Wohnraum gruppieren sich, ohne Flure, die weiteren Räume. Eine tiefe Loggia, fast ein Innenhof, schafft einen Hauch von Einfamilienhausqualität auf dem Geschoss, lockere leichte Möbel aus dem Artek-Programm sorgten in einer Musterwohnung für skandinavische Gestimmtheit. Folgeaufträge, die Aalto sehr wohl im Kalkül hatte, stellten sich prompt ein: das Wohnhochhaus in der Neuen Vahr in Bremen, das Kulturzentrum und das Heilig Geist-Gemeindezentrum in Wolfsburg – alle 1962 fertiggestellt – , das Stephanus-Gemeindezentrum in Wolfsburg, 1969 übergeben, sowie das Opernhaus in Essen, dessen verzögerte Fertigstellung im Jahr 1988 Aalto nicht mehr erlebt hat.
Bei zwei Bauvorhaben in Wolfsburg trat Aalto in direkte Konkurrenz zu seinen befreundeten Kollegen aus Berlin, Paul Baumgarten und Hans Scharoun. Während Aalto 1958 das Gutachten zum Kulturzentrum gegen den parallel beauftragten Baumgarten für sich entscheiden konnte, hatte Scharoun die Nase vorn beim Wettbewerb für das Theater der Stadt im Jahr 1965, das erst 1973 fertiggestellt wurde. Kulturzentrum und Theater liegen seitdem einträchtig in Sichtweite zueinander und sind in ihrer Haltung zwei sehr persönliche Bauzeugnisse zweier großer Meister des freien Entwerfens.
Hugo Alvar Henrik Aalto
1898 | geboren am 3. Februar in Kuortane, Finnland | |
1916 | Abitur am humanistischen Gymnasium in Jyväskylä | |
1921 | Architekturdiplom am Polytechnischen Institut Helsinki | |
1923-27 | freier Architekt in Jyväskylä | |
1924 | Heirat mit Aino Marsio (1894-1948), gemeinsames Büro | |
1927-33 | freier Architekt in Turku | |
ab 1933 | freier Architekt in Helsinki, er baut sich ein Haus im Stadtteil Munkkiniemi, in dem er bis zu seinem Tode lebt | |
1935 | Mitbegründer der Möbelfirma Artek, die bis heute die legendären Sitzmöbel aus Schichtholz produziert | |
1943-58 | Vorsitzender der Vereinigung der Finnischen Architekten SAFA, Ehrenmitglied seit 1958 | |
1946-48 | Gastprofessur am Massachusetts Institute of Technology, Cambridge, USA | |
1952 | Heirat mit Elissa Mäkiniemi (1922-94), gemeinsames Büro | |
ab 1955 | Mitglied der Finnischen Akademie der Bildenden Künste, emeritiertes Mitglied seit 1968 | |
1963-68 | Präsident der Finnischen Akademie der Bildenden Künste | |
1976 | gestorben am 11. Mai in Helsinki | |
1976 | 1. BDA-Preis Niedersachsen für das Kulturzentrum Wolfsburg, ein weiterer Preis ging an das Theater der Stadt Wolfsburg von Hans Scharoun |